Donnerstag, 10. Oktober 2013

39.Tag: Von Alcossebre bis Castellón


Um es gleich vorweg zu nehmen: Das war ein 10 von10 Punkten Tag. 
Wenn ich mich recht erinnere, gab es davon erst einen. Das war in Frankreich (Ok, da war der Kaffee noch besser).
Es fing zwar alles etwas seltsam - um nicht zu sagen gruselig an.
Seit Wochen wache ich um 7:30 von allein auf, weil es langsam hell wird. Doch heute (nein,eigentlich schon seit einigen Tagen) ist die Aussenbeleuchtung noch nicht wirklich eingeschaltet. Erst so gegen 8:00 kann man davon sprechen, dass es "Tag" ist. Der Hotelkomplex, in dem ich heute übernachtet habe, ist riesig. Man hat mir einen Schlüssel in die Hand gedrückt und erklärt, wie ich den Speisesaal finde. Lange leere Flure entlang. Aus meinem Block raus, Tür aufschließen, in den nächsten Block rein, lange leere Flure entlang. Wenn irgendwo Jack Nicolson um die Ecke gekommen oder ein irres Lachen erklungen wäre, es hätte mich nicht gewundert. Treppen runter, Tür aufschließen, Flur entlang, um die Ecke. Ein riesiger Speisesaal ausgelegt für 250 Personen. Ich bin der Einzige. Der Kellner eine sehr, sehr gute Zweitbesetzung für Jack Nicolson, aber sehr nett, wie sich raus stellt. Er besorgt mir extra frisches Wasser für meinen Tagesbedarf und erklärt mir in aller Ausführlichkeit, wie ich die nächsten 20 km ohne die "rote N340" auskommen kann. Er versichert mir auch, dass ich heute bis Castellón/Castelló auf kleinen Straßen oder Fahrradwegen komme. Er scheint es erst zu meinen - aber ich bleibe Jack Nicolson gegenüber misstrauisch. Die ersten Kilometer sind eine reine Freude. Immer am Meer entlang. Kleine Buchten, kaum Steigungen. Und etwa 4 Kilometer ausserhalb von Alcossebre ist es soweit,
Aber halt: Die Hauptarbeit habe nicht ich geleistet:

 2000 km sind wir seit Engen unterwegs!

Bis Torrenostro bleibt die kleine Straße an der Küste. Und jede neue Bucht, ein neues Vergnügen. Dann ist Schluss. Aber der Kellner aus dem Geisterhotel hat wirklich recht behalten. gleich hinter einer verwegenen Hotelburg (das ist wörtlich gemeint. Selbst ich habe mich geweigert, diese Scheußlichkeit zu fotografieren) geht es links ab und auf kleinen Sträßchen durch die Felder.
Das ist der 2.Abschnitt eines 4 Abschnitte-Tages.
Der 2. Abschnitt ist der Duftabschnitt: Zuerst durch Schilf und Sumpfgebiete. Duftnote, modrig bis fischig.
Dann Felder mit Artischocken, Organgen, Zitronen, Oliven, Mandarinen und immer dann, wenn ein Haus kommt, eine unglaubliche Wolke von Jasmin, mit einem Hauch von Oleander. Die Fincas sind oft noch gar nicht zu sehen, da riecht es schon nach Jasmin. An jedem Haus, Feigen, Wein und - Jasmin, Oleander und Besitos (ich weiß nicht wie die auf deutsch heißen, aber sie haben die Duftmischung dieses Tages abgerundet)
Na ja, zwischen all die Wohlgerüche, mischt sich doch hie und da, der "traditionelle" valencianische Geruch von verbranntem Müll (diese "Tradition" hat zwar stark nachgelassen, aber in den ersten Jahren unserer Spanienfahrten, war dieser Geruch mit, "jetzt sind wir bald da!" verbunden).
Hinzu kommt noch der Geruch von Pestiziden - die alle paar Kilometer in Wolken unter den Bäumen verteilt werden, damit da ja nichts mehr wächst. Das habe ich zum Anlass genommen,zu testen, wie lange man fahren kann ohne Atem zu holen.
Auf dem 2. Abschnitt des Tages treffe ich einen netten Schotten, der die Gegend seit Jahren mit seinem Rennrad beackert,  und der mir vorschwärmte wie toll die via verde ab Torre de Sal sei.
Kann man Schotten eher trauen als "unheimlichen" Kellnern in Geisterhotels?
 Der 3. Abschnitt des Tages.
Der Schock, das Horrorkabinett. Ich habe ja auf meiner Fahrt in den Süden schon viele "Ferienorte" gesehen, die langsam die Rollläden heruntergelassen haben, endlose Küstenabschnitte, vorbei an leeren Häusern, Appartements und Villen. Aber was nach Torre de Sal kam, übertrif ft alles bisher dagewesene.
Eine Schlucht an der anderen. In einem Italo-Western hätte die Mülltüte nicht symbolischer durch die Straße fliegen können. Vereinzelt ältere Damen,  mit behaarten Ratten an roten Strassleinen. Es hätte mich überhaupt nicht gewundert, wenn einer der Gärtner, die den Grünstreifen auf der 4-spurigen Stadtautobahn pflegen seine Mundharmonika heraus geholt  und "Spiel mir das Lied vom Tod" gespielt hätte. Ich habe es auch so gehört.
Und dann das  Ortszentrum- der kulturelle Mittelpunkt sozusagen:
In "80-Läden-um die-Welt" - Themenshopping -jetzt war ich restlos begeistert. Um die Hotels herum eine Shoppingmeile - jeder Laden einem anderen Land gewidmet. Vorne an der Ecke der Eifelturm. Ich musste mich wirklich daran hindern um alle Blocks zu fahren.
Und zwischen dem "worldshopping"- Themeneinkaufszentrum, eine Art "Weihnachtsdekoration" für den Hochsommer.Jetzt sind die Läden zu, die versprengten Touristenüberbleibsel machen keinen fröhlichen Eindruck - wie gern würden sie jetzt hier auf einen Einkaufsbummel gehen.
Der 4. Abschnitt:
Nach jeder Geisterbahn fährt man geblendet ins Tageslicht. Am Rande der Touristenhochburg, gibt es so etwas wie ein "normales" Ortszentrum. Ich trinke meinen Mittagskaffee (von jetzt ab nur noch "cafe solo", der kann nicht so viel Schaden anrichten), und frage die Herren eines Pizza-Schnelldienstes, ob hier irgendwo tatsächlich eine via verde, ein Radweg, anfange.
Und wieder wird mir erklärt und erklärt- dabei ist der Anfang gleich um die Ecke.
Wobei die Leute hier einfach nicht glauben können, dass jemand Spanisch versteht. Sie erklären mit Händen und Füssen und Gesten und wenn ich sage: "Du kannst mit mir ruhig in vollständen Sätzen sprechen, ich verstehe ein wenig Spanisch" - wird das einfach ignoriert. Der Hammer, einer der Pizza-Speedleute, kommentiert seelenruhig auf Spanisch, "hör doch auf, der landet doch, wie alle unten im Hafen". Da blieb mir die Spucke weg. Es stimmt zwar, der Weg, der zu der "via verde" führt, ist nicht gut ausgeschildert, aber der eine Hinweis "gleich hinter dem Restaurant Calau" rechts hoch, war ausreichend. Tourismus ist eben ein hartes Geschäft - und prägt gewaltig.
Und dann beginnt das "Wunder von Oropesa und Benicasim".
 Seit einiger Zeit habe ich ja wieder gesehen, dass die Berge der Küse immer näher kommen und dementsprechend stelle ich mich wieder auf einen Bergabschnitt ein. Aber der Radweg, auf den ich stoße, verläuft auf einer alten Eisenbahntrasse, wie der aus Gerona heraus. Und alte Lokomotiven mochten keine Steigungen, also baute man Tunnel.
 Und so fahre ich eine spektakuläre Strecke, immer der Steilküste entlang und - statt über die Berge durch 2 alte Tunnel und auf die andere Seite nach Benicasim.
Diese Strecke ist wirklich ein Highlight auf dieser Reise:





Und wenn der Valenciano grün wird, dann gleich richtig, dann gibt es sogar Fahrradständer aus Holz auf den "Rastplätzen"




Doch ich will nicht spotten. Es war einfach nur toll, dass ich heute von Hotel zu Hotel bis hinunter zum Hafen von Castelleón auf Fahrradwegen oder kleinen Landstraßen fahren konnte.
Und dann komme ich auch noch rechtzeitig an, um gemütlich am Hafen ein Mittagessen zu bekommen (das gibt es auch noch um 15:30)


Wie gesagt: Ein 10/10 Tag. So kann die Reise weitergehen!!!

Vorschlag zur Erweiterung der des Angebots an Maßnahmen zur Körperverschönerung:

Ganzkörpertattooes, Piercing, Metallimplantate, das sieht man mittlerweile auf jeder Strandpromenade. Jeder kinderwagenschiebende Papa kommt inzwischen so gestylt daher.
Ich hätte da was neues anzubieten. Sonnentattoes - "Sun-Branding" - das hat noch nicht jeder.
Ich zum Bespiel sehe jeden Tag im Hotel obercool aus, wenn ich meinen Helm und die Sonnenbrille runternehme und die Radlerklamotten ausziehe. Ein Zebra ist ein Dreck dagegen.
Besonders lustig ist, dass es den  Streifen, den die Riemen des Helmes hinterlassen haben, nur auf der linken Seite gibt. Denn die Sonne steht auf meiner Reise grundsätzlich links.
Ich sollte darüber nachdenken, wie man daraus eine Geschäftsidee entwickeln kann. "Branding-Studios"- als Franchisingkonzept.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen